Offener Vollzug für Jungtäter
Der Justizvollzug muss, wenn er sich den Anforderungen der heutigen Zeit stellen will, flexibel und mit inhaltlichen Konzepten auf neue Bedingungen und insbesondere Erscheinungsformen der Kriminalität reagieren.
Die Abteilung "Offener Vollzug und Freigang" der Jungtäteranstalt Vechta ist in besonderer Weise dazu geeignet, vollzugliche Differenzierungen zu ermöglichen. In der 1862 erbauten Abteilung befinden sich derzeit 22 Haftplätze für Jungtäter, die den besonderen Anforderungen dieser Vollzugsform genügen.
Folgende Voraussetzungen gemäß § 10 Absatz 1 Strafvollzugsgesetz müssen erfüllt werden:
a) keine Fluchtgefahr;
b) keine Befürchtungen hinsichtlich der Begehung von Straftaten aus dem offenen Vollzug heraus;
c) keine Suchtgefährdung und ggfls. neurotische Persönlichkeitsstörungen bzw. extreme
Aggressionsbereitschaft;
d) die Zustimmung des Gefangenen für die Verlegung in den offenen Vollzug muss vorliegen.
Das Ziel aller Bemühungen ist die Heranführung zur Selbstständigkeit und Verantwortung und zur Erkenntnis, auch in Zukunft eingegangene Verpflichtungen ohne Straftaten in eigener Regie durchzuführen. Ziel des offenen Vollzuges ist es unter anderem, den Umgang mit Vertrauen zu üben, die Selbstverantwortung für zahlreiche Belange des eigenen Lebens zu fördern, sich an der Schadenswiedergutmachung zu beteiligen und gezielte Hilfen zur Gewöhnung an die neue Freiheit nach der Entlassung zu erarbeiten.
Ferner sollen die Probleme bearbeitet werden, die durch die Tat, die Haft und die Isolierung durch den Strafvollzug entstanden sind. Ein weiteres Hauptziel im offenen Vollzug ist zudem die Förderung des Freiganges. Durch den Freigang sollen die Inhaftierten in die Lage versetzt werden, finanziell für sich und ggfls. für ihre Angehörigen zu sorgen. Zudem ist das Bewusstsein der Freigänger für eine stärkere Auseinandersetzung mit den durch die Straftat und durch die Haft entstandenen Probleme und Schäden zu fördern.
Aufgabenschwerpunkt des offenen Vollzuges besteht darin, die Insassen auf die Freiheit vorzubereiten und dabei die allgemeinen Lebensverhältnisse soweit als möglich zur Grundlage zu nehmen. Der Vollzug ist darauf auszurichten, dass er dem Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzuüben und einzugliedern. Durch den Status des Freigängers ergeben sich dem Gefangenen ohne Zweifel größere Eingliederungschancen. Diese Aufgabenstellung zwingt dazu, dem Gefangenen während des Vollzuges frühzeitig und umfassend Gelegenheit zu geben, sich außerhalb der Anstalt aufzuhalten und sich dort betätigen zu können. Nur in der Freiheit findet der Gefangene reale Bedingungen und Verhältnisse vor, die seine Persönlichkeit ganz fordern. Deshalb kann eine Vollzugsanstalt auf das Feld außerhalb der Anstalt niemals verzichten und gerade deshalb bietet der offene Vollzug und der Freigang einen hohen Wert für den Gefangenen.
Ferner werden dem Gefangen Möglichkeiten der Fortbildung etwa durch die Teilnahme an Seminaren, Kursen (z. B. Führerschein), Umschulungs- und Ausbildungsmaßnahmen, sowie den Weiterbildungsangeboten der öffentlichen Institutionen vor Ort ermöglicht.
Der Einsatz im Freigang ist die weitestgehende Lockerung im Vollzug, wohl aber auch die Problematischste. Der Freigänger lebt objektiv in zwei Welten. Er geht einem normalen Beschäftigungsverhältnis nach, wie ein anderer Arbeitnehmer auch. Er tauscht für diese Zeit die Rolle als Insasse mit der eines in Freiheit lebenden Arbeiters.
Durch den Status "Freigänger" ergeben sich für den Gefangenen ohne Zweifel größere Resozialisierungschancen. Es besteht hierdurch die Möglichkeit, den negativen Auswirkungen des Vollzuges entgegenzuwirken und den Gefangenen zur aktiven und verantwortungsvollen Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu erziehen.
JVA Vechta Haus I